Großer Bahnhof für die Eisenbahnfreunde
Für den Dreh eines indonesischen Films haben drei Waggons der Osef-Flotte in Görlitz vor der Kamera gestanden.
Von Rita Seyfert und Marcus Scholz
Als der Schaffner auf Gleis 11 des Görlitzer Bahnhofs in seine Pfeife trillert und die drei grünen Waggons der Ostsächsischen Eisenbahnfreunde anfangen loszurollen, fließen bei Rudy dicke Tränen. Denn im Zug, der so eben in Richtung Prag aufbricht, sitzt das deutsch-polnische Mädchen Ilona, Rudys große Liebe. Ilona geht die Situation genau so nahe. Sie klebt fassungslos an der Zugtür und presst zum Abschied Gesicht und Hände von innen gegen die Scheibe. Dann werden beide aus ihren Gedanken gerissen, denn die Klappe von Regisseur Hanung Bramantyo fällt – die herzzerreißende Szene ist im Kasten.
Bramantyo sitzt in seinem Campingstuhl und nickt. Die Szene gefällt ihm. Hauptdarsteller Reza Rahadian stellt seinen Koffer auf den Boden. Der 29-Jährige ist in Indonesien ein bekannter Filmstar. Nun wartet er im Görlitzer Bahnhof auf die nächste Regieanweisung. Er konzentriert sich, schaut auf den Zug. „Ich stelle mir nur die Szene vor“, sagt er. In der folgenden Einstellung muss er auch wieder weinen. So verlangt es das Drehbuch. Die Tränen schießen ihm, wie auf Knopfdruck in die Augen, ganz ohne künstliche Hilfsmittel. An etwas Schlimmes denkt er aber nicht. „Ich bin nur empathisch mit dem Geschehen“, erklärt Rahadian seine Weintechnik.
Der Schauspieler weilt dieser Tage mit einem 40-köpfigen Team der indonesischen Dapur Film Community in Görlitz. Dort werden Sequenzen für den zweiten Teil des Kino-Streifens „Habibie und Ainun“ gedreht. Reza Rahadian ist einer von zwölf Schauspielern. In der Rolle des Rudy verkörpert er den späteren dritten indonesischen Präsidenten Bacharuddin Jusuf Habibie, während dessen Studienzeit in Aachen. Der erste Teil des Films hat bereits etwa 4,7 Millionen Menschen in die Kinos gelockt. „Ein absoluter Rekord in der Geschichte des indonesischen Kinofilms“, sagt Produzent Manoj Punjabi. Der zweite Teil über das tragische Herzschmerzdrama zwischen Rudy und Ilona, die von der 21-jährigen Chelsea Islan gespielt wird, könne diese Quote sogar noch übertreffen, so Punjabi. Insgesamt sind vier Filmteile geplant, die alle auf wahreren Begebenheiten beruhen. Dazu gehört auch, dass die Beziehung der beiden Turteltauben Rudy und Ilona keine Zukunft haben wird. Denn, als Ilona in den Zug nach Prag steigt, kehrt der damals 20-jährige Rudy allein in seine Heimat Indonesien zurück.
Für die Dreharbeiten verkörpert Görlitz noch bis diesen Mittwoch das Aachen der 1950er Jahre. Ungefähr aus dieser Zeit stammen auch die drei Waggons der Ostsächsischen Eisenbahnfreunde und passen damit perfekt zur rührenden Abschiedsszene der beiden Hauptdarsteller des Films.
Die zwei Sitzwagen und ein Barwagen der Osef sind am Dienstagmorgen im Görlitzer Bahnhof angekommen. Gezogen von einer gemieteten Diesellok. Mit an Bord des Gespanns ist auch Aufpasser Hans Besser gewesen. Ihn haben die Eisenbahnfreunde extra abgestellt, damit er während der Dreharbeiten nach dem Rechten sieht. Denn wenn die Filmmacher im sprichwörtlichen Tunnel sind und alles um sich herum vergessen, kann es schon einmal vorkommen, dass sie einfach so lackierte Flächen bekleben oder Antireflektionsmittel durch die Gegend sprühen. Besser hat seinen Job am Ende aber zur Zufriedenheit von Osef-Chef Alfred Simm erledigt. Schon am Dienstagnachmittag sind Lok und Waggons wieder im Löbauer Lokschuppen gewesen. Und das ohne einen Kratzer, wie Simm mitteilt.
Die Eisenbahnfreunde sind alte Hasen, wenn es rund um das Drehen von Filmen geht. Schon bei etwa 30 verschiedenen Produktionen hat der Verein mitgewirkt. Simm weiß warum: „Wir haben uns einen Namen auf dem Gebiet gemacht und dienen als guter Ansprechpartner, wenn es rund um das Thema Eisenbahn geht“, sagt er. Heutzutage wisse ja kaum noch jemand, wie die alte Technik funktioniere, so der Osef-Chef. Durch Rat und Tat hilft der Verein aber nicht nur anderen, sondern auch sich selbst. „Für die Miete der drei Waggons haben wir ein ordentliches Honorar bekommen“, sagt Simm. Zahlen will er nicht nennen. Laut Osef-Homepage beträgt die Miete pro Waggon und Tag aber um die 500 Euro. Mit der Vermietung ihrer fahrtüchtigen Diesellok hätten die Eisenbahnfreunde sogar noch mehr Geld in ihre Vereinskasse spülen können. Wegen des schlechten Zustandes der Lok habe sich die Filmcrew dann aber für das Mieten einer anderen entschieden.
Am kommenden Sonnabend können die Bahnliebhaber das Geld, das ihnen entgangen ist, aber wieder einspielen. Lok und Waggons fahren dann nämlich nach Eisenhüttenstadt. An Bord können die Fahrgäste dann vielleicht noch einen Hauch von Kinospektakel nachempfinden.